Was die Gefangennahme von zwei deutschen Journalisten und die Angst auf den Straßen von Berlin miteinander zu tun haben.


Mitarbeiter unseres Hauses sind seit sechseinhalb Wochen im Iran gefangen. Sie sitzen in Einzelzellen, aber wir wissen nicht einmal wo. Alles, was wir über die Haftbedingungen wissen, gibt Anlass zu größter Sorge.

Mitarbeiter der deutschen Botschaft durften sie erst zweimal und auch nur kurz sprechen. Der Vorwurf, der gegen sie erhoben wird: Sie sollen das Land als Touristen betreten haben, obwohl sie als Journalisten eine Geschichte recherchieren wollten über die Frau, die zum Tod durch Steinigung verurteilt wurde, weil sie nach dem Tod ihres Mannes möglicherweise eine Affäre mit einem anderen Mann hatte: Ehebruch nennt man das im Iran. Nur durch öffentlichen Druck wurde sie bislang vor der Hinrichtung bewahrt. Erst wurde unseren Mitarbeitern ein Visumsvergehen vorgeworfen.

Nun erhebt die Justiz in Täbris öffentlich Spionage-Vorwürfe. Ein absurder und gefährlicher Vorwurf. Auf Spionage steht im Iran im Extremfall die Todesstrafe.

Seit einer Woche ist Deutschland im Ausnahmezustand: vor den Kaufhäusern steht ein Polizist, in den U-Bahn-Schächten wachen Sicherheitsbeamte und vor dem Reichstag in Berlin stehen gepanzerte Fahrzeuge. Die Angst geht um in der Bundesrepublik, denn ein Aussteiger hat berichtet, dass islamische Fundamentalisten unser Land aus den Angeln heben wollen.

Ein Anschlag auf den Reichstag sei geplant. Ausgerechnet der Reichstag, der 1933 brannte, bevor die Nazis das Land für den Holocaust mobilisiert haben. Wir aber üben uns in Gleichmut. Die Kanzlerin mahnt zur Gelassenheit. Ruhe sei die erste Bürgerspflicht. Das stimmt, denn wir wollen unsere Agenda nicht von Terroristen bestimmen lassen. Aber es stimmt auch nicht. Die Ereignisse haben viel miteinander zu tun. Unruhe ist auch Bürgerspflicht. Denn es geht um die Freiheit. Und die ist so gefährdet wie seit 70 Jahren nicht mehr.

Die Organisation „Freedom House“ misst Jahr für Jahr die Freiheit. Ein Rückgang der Freiheit wird in der jüngsten Erhebung in 40 Ländern festgestellt, was 20 Prozent der Nationen der Welt entspricht. In 22, also mehr als der Hälfte, wurden die Freiheitseinschränkungen als gravierend eingestuft. Die Zahl der bisher mit freien Wahlen ausgestatteten Demokratien fiel von 119 auf 116. Insgesamt wurden im Jahr 2009 89 Länder als „frei“ klassifiziert, das sind rund drei Milliarden Menschen und 46 Prozent der Weltbevölkerung.

Als „teilweise frei“ galten 2009 58 Länder, das sind 30 Prozent aller Nationen und mit rund 1,3 Milliarden Menschen 20 Prozent der Weltbevölkerung. Nicht frei sind 47 Länder, also 24 Prozent. Unter unfreien Bedingungen leben also somit 2,3 Milliarden Menschen oder 34 Prozent der Weltbevölkerung.

Israel ist in der Region Naher Osten und Nordafrika das einzige Land in der Kategorie „Frei.“ Der Prozentsatz der „nicht freien“ Länder ist in dieser ganz überwiegend muslimischen Region weltweit mit Abstand am höchsten, sogar mehr als doppelt so hoch als im übrigen Afrika – es sind 78 Prozent.

Unfreiheit ist ein Problem, das in muslimischen Kulturkreisen besonders verbreitet ist. Freiheitsfeindlich ist nicht der Islam, sondern der islamistische Fundamentalismus, der leider von weiten Teilen der muslimischen Welt einfach hingenommen, und von noch weiteren Teilen der nichtmuslimischen Welt verharmlost wird.

Jagd auf Homosexuelle

Im Irak leben homosexuelle Männer auch heute noch gefährlich. Immer häufiger richten sich irakische Milizen gegen Männer, denen sie Homosexualität vorwerfen. Bislang haben die irakischen Behörden nichts getan, um diese Übergriffe zu stoppen, so Human Rights Watch in einem Bericht.

Noch bedrohlicher ist die Lage in Saudi-Arabien. Dort kann ein Mann zum Tode verurteilt werden, weil er sexuelle Kontakte zu einem anderen Mann hatte. Mit der Todesstrafe wird Homosexualität hochoffiziell übrigens auch im Iran, in Sudan und Jemen, sowie in Mauretanien, Somalia, Niger und Saudi-Arabien belegt. Im Iran sind in den letzten 30 Jahren rund 4000 Männer getötet worden, die angeblich oder tatsächlich homosexuell waren.

Im Jemen darf eine Frau, die verheiratet ist und dennoch mit einem anderen Mann geschlafen hat, gesteinigt werden. Das kann in diesem und in vielen anderen muslimischen Ländern übrigens auch einer Frau passieren, die vergewaltigt wurde, sogar dann, wenn sie eine Zeugin dafür hat. Solange es einen Mann gibt, der das Gegenteil behauptet, also dass sie freiwillig Sex gehabt habe, wird sie verurteilt. Denn eine Männerstimme zählt vor Gericht so viel wie zwei Aussagen von Frauen.

Deutschland, Insel der Glückseligkeit

Im Iran wird eine Frau, die abends mit offenen Haaren und im Minirock ausgeht oder einen Hamburger mit Schweinefleisch isst, quasi in den Zustand der Rechtlosigkeit versetzt. Wenn ihr jemand Gewalt antut, ist sie selbst daran schuld, denn sie hat es die Tat nach offiziellem Rechtsverständnis provoziert. Ein Ehemann, der seine Frau tötet, wird im Sinne der Verteidigung seiner Ehre vom Gesetz in Schutz genommen. Mädchen können mit 13 verheiratet werden (bis vor kurzem sogar mit 9) – nach unseren Maßstäben ist das sexueller Missbrauch von Kindern. Eine Frau, die in Notwehr ihren Vergewaltiger tötet, ist von der Todesstrafe bedroht.

Gemessen an solch krassen Menschenrechtsverletzungen leben wir in Europa und Deutschland auf einer Insel der Seligen: Meinungsfreiheit, Rechtsstaat, Demokratie mit freien Wahlen, sexuelle und religiöse Liberalität sind bei uns in den letzten Jahrzehnten zu Selbstverständlichkeiten geworden.

Es gibt zwei Gesellschaftsmodelle, denen zwei gegensätzliche Menschenbilder zugrunde liegen: Hier das kollektivistische, dort das individualistische. Hier der Zwang der Gruppe, dort die Freiheit des Einzelnen. Hier die autoritäre, dort die antiautoritäre. Hier die vormoderne, dort die moderne. Hier die religiöse, dort die säkulare. Hier die geschlossene, dort die offene Gesellschaft.

Die kollektivistische, autoritäre, religiöse, vormoderne Gesellschaft kultiviert ein Menschenbild, wonach der Einzelne eine höchst unvollkommene, in seinen Trieben dunkle, für die Gemeinschaft gefährliche Erscheinung ist, die des Schutzes einer höheren Instanz bedarf.

Islamismus, Kommunismus, Faschismus

Zugespitzt: Der einzelne muss vor sich selbst in Schutz genommen werden. Die kollektivistische Gesellschaft misstraut dem Menschen. Die individualistische, antiautoritäre, moderne, säkulare, offene Gesellschaft pflegt ein Menschenbild, nach dem der Einzelne ziemlich gut selbst zurecht kommt und dank seines freien Willens weitgehend selbst verantwortlich dafür ist, was er aus seinem Leben macht. Zugespitzt gesagt: Jeder ist seines Glückes Schmied. Die individualistische Gesellschaft traut dem Menschen.

Das kollektivistische Ideal, indem der Einzelne vor sich selbst in Schutz genommen werden muss, wird vor allem vom Islamismus, vom Kommunismus und Faschismus gepflegt. Es ist heute vor allem noch im Osten und Mittleren Osten verbreitet. Das individualistische Ideal, indem der Mensch durch seinen freien Willen sein Schicksal selbst in die Hand nimmt, ist das Modell vor allem angelsächsischer Demokratien. Es ist heute vor allem in Amerika, Kanada, Großbritannien, im Kern aber in der gesamten westlichen Welt verbreitet.

Die Zwangsbeglückung durch eine übergeordnete (Schutz-)Macht steht gegen die individuelle Glückssuche des freien Individuums. Wir müssen uns entscheiden. Was wollen wir? Ein bisschen von Beidem, den goldenen Mittelweg?

Das freie Modell des Westens ist bedroht

Das ist eine Ausflucht. Es geht um die Frage, was im Zweifelsfall wichtiger ist. Ein bisschen Freiheit gibt es nicht. Man kann sie nur geben oder nehmen. Man kann sie nicht dosieren, man kann sie nicht verordnen. Oder wie Erich Fried dichtete: „Zu sagen: ,Hier herrscht Freiheit’ ist immer ein Irrtum oder auch eine Lüge, denn Freiheit herrscht nicht.“

Das freie Modell des Westens ist latent und akut bedroht. Akut gar nicht mehr so sehr durch alte kommunistische Trutzburgen wie Nordkorea oder Kuba, sondern vielmehr durch die Aggression des nichtdemokratischen, also totalitären und damit wesentlich effizienteren Kapitalismus Chinas.

Vor allem aber durch den weltweit rasant sich ausbreitenden Islamismus, dem westliches Freiheitsverständnis, freie Marktwirtschaft, freie Sexualität, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau dekadent, degeneriert, gefährlich, verachtenswert, gottlos erscheinen – und um jeden Preis bekämpft werden müssen.

Auf dem jahrhundertlangen Weg zum Weltkalifat sind den fundamentalistischen Moslems alle Mittel recht, um zuerst Israel, dann Amerika und schließlich den gesamten libertären Westen von innen zu unterminieren und von außen zu zerstören – mit Parallelgesellschaften, Selbstmordattentaten und Atomwaffen.

Europa reagiert in Büßermanier

Auf unsere unbeholfenen Reaktionen, auf die naiven Angebote des Dialogs, der interkulturellen Verständigung, der westlich geprägten Sehnsucht nach Harmonie und Kompromiss reagieren die Strategen des globalen Kalifats nur mit höhnischem Lachen.

Wie Deutschland, der Westen, wie die Demokratien der Welt sich dieser Herausforderung stellen – selbstbewusst, kämpferisch oder kulturrelativistisch defensiv – das wird die Schicksalsfrage der nächsten 50 Jahre sein.

Ulrike Ackermann, die in Heidelberg die einzige deutsche Professur für Freiheitsforschung ausübt, schreibt in ihrem Buch das „Eros der Freiheit“: „Angesichts der Herausforderung des politischen Islam und des Hasses auf den Westen, der in Migrantenmilieus gedeiht, stünde eigentlich eine selbstbewusste Verteidigung der mühsam errungenen Freiheiten auf der Tagesordnung. Stattdessen reagiert Europa in Büßermanier. Es zweifelt an sich selbst und fühlt sich schuldig angesichts seiner kriegerischen und kolonialen Vergangenheit – und hasst sich selbst.“

Als das zweite Flugzeug im World Trade Center einschlug

Wollen wir uns noch verteidigen? Und wenn ja, mit welchen Mitteln? Es geht dabei um alles. Nicht um Ideologie, sondern um unseren Lebensstil.

Ja, unsere Freiheit ist in Gefahr. Denn Freiheit ist kein Besitzstand. Freiheit kann leicht wieder abhanden kommen. Freiheit ist flüchtig, Freiheit ist launisch, Freiheit ist unbequem. Und Freiheit will in jedem Moment erkämpft, verteidigt, umworben werden. Wer das nicht tut, weil er glaubt, die Freiheit doch schon zu besitzen, oder aber wer es mit falschen Mitteln tut und dabei die Werte der Freiheit verrät, sitzt in der Freiheits-Falle.

Am 11. September wusste man in der Sekunde, in der das zweite Flugzeug im World Trade Center einschlug: das ist kein Unfall, das ist ein Terrorakt von bisher ungekanntem Ausmaß, das ist ein Angriff auf das weltweit größte Symbol des westlichen Kapitalismus – das ist ein Angriff auf die Freiheit. 

Den Terroristen der al-Qaida war ein beispielloser Erfolg gelungen. Am späten Nachmittag des 11. September 2001 war die Leitmacht des freien Westens an den drei wichtigsten Symbolorten ihrer wirtschaftlichen, militärischen und politischen Macht angegriffen und an den ersten beiden davon getroffen, mit dem World Trade Center sogar vernichtend getroffen worden.

De facto war die wichtigste Weltmacht paralysiert – mit der Schließungsankündigung der Börsen war klar: das System steht still. Ausnahmezustand. Die Welt in Angst. Die USA am Rande der Handlungsunfähigkeit.

3056 Menschen kamen nach Angaben der Behörden bei den Anschlägen ums Leben. Der al-Qaida war der bedeutendste Terroranschlag aller Zeiten gelungen.

Wie gezielt die Anschläge und das gesamte Wirken der Al-Qaida-Netzwerke gegen die freiheitliche Gesellschaftsordnung des Westens und insbesondere Amerikas gerichtet sind, wird deutlich, wenn man sich noch einmal den Wortlaut des vielbeachteten Al-Qaida-Videos aus dem Jahr 2001 vergegenwärtigt: „Al-Dschasira“ strahlte am 7. Oktober das Video mit Bin Ladens Aufruf zum Dschihad aus. Bin Laden tritt dort gemeinsam mit dem Exil-Führer des ägyptischen „Dschihad“, Aiman al-Sawahiri, und dem Sprecher von al-Qaida, Suleiman Abu Gheith, in einem offenbar gebirgigen Versteck auf.

Der Gründer des Terrornetzwerks al-Qaida

Osama Bin Laden: „Die Schlacht zwischen dem Glauben und dem Unglauben hat begonnen. ( …) Amerika zittert und Gott sei Dank. Was Amerika heute erlebt, erleben wir seit Jahrzehnten. ( …) Als eine kleine Einheit nun Amerika angegriffen hat, hat die ganze Welt geschrien. Die Ungläubigen haben geschrien und die Heuchler. ( …) Das ist eine Schlacht zwischen Glaube und Unglaube. ( …) Ich schwöre beim mächtigen Gott, der den Himmel ohne Säulen geschaffen hat, dass die USA und die Leute, die in den USA leben, niemals von Sicherheit träumen können oder diese erleben, bevor wir diese nicht auch tatsächlich in Palästina erleben, und bevor alle ungläubigen Truppen vom Boden Mohammeds (des Propheten) verschwunden sind. Und Gott ist groß.“

Abu Gheith: „Die Kriegserklärung der Amerikaner gegen Osama Bin Laden und die Taliban ist eine Kriegserklärung gegen alle Moslems und wir haben den Heiligen Krieg ausgerufen gegen die Juden und Christen. ( …) Wir können den Weg zu Ende gehen, auch wenn alle Ungläubigen gegen uns sind und auch wenn sich alle arabischen Länder gegen uns stellen, werden wir siegen. ( …) Das ist der Anfang vom Sturz der USA. ( …) Oh, ihr Gemeinschaft von Milliarden (an die Adresse der Moslems in der Welt).“

Sawahiri: „Habt Ihr (Amerikaner) Euch schon einmal gefragt, warum es all diesen Hass gegen Amerika und Israel gibt? ( …) Amerika ist seit 50 Jahren die Anführerin des Terrorismus.“

Das Dokument ist von erfrischender Deutlichkeit: vordergründig geht es allein um die Vernichtung Amerikas und Israels. Klar wird aber auch das eigentliche Ziel: der Kampf gilt den Ungläubigen dieser Welt, namentlich den Christen und Juden – da sollte sich Europa ausdrücklich mit eingeschlossen fühlen.

Die „Schlacht zwischen Glaube und Unglaube“ meint die Religionsfreiheit in der westlichen Welt, die fundamentalistischen Moslems ein Dorn im Auge ist. Mit dem Entzug von Sicherheit soll diesen Systemen auch die verhasste Freiheit des westlichen Lebensstils ausgetrieben werden. Das sind, verkürzt, die Ziele des „Heiligen Krieges“.

Es gehört zu den naiven Wahrnehmungsmustern dieses Konfliktes, dass man in Europa das Problem gerne auf Israel, am liebsten auf eine bestimmte israelische Regierung und auf Amerika, am liebsten nur auf eine bestimmte amerikanische Regierung verengt.

Wir sind die Zielscheibe

Darin schwingt mit: Wir müssen uns ja nicht auch noch in die Schusslinie bringen, sollen doch die Verursacher ihre Probleme selbst lösen. Das ist erstens genau das, was der Islamismus erreichen will, zweitens ziemlich charakterlos, vor allem aber ist es weit entfernt von der Realität des Konfliktes.

Die als Geiseln genommenen Journalisten des Westens, die Drohungen der letzten Tage zeigen es: Deutschland steht im Zentrum. Wir sind der Gegner. Wir sind die Zielscheibe. Die in den 70er-Jahren gepflegte Mentalität des Ohnemichel hat ausgedient.

Israel ist für den Islamismus des mittleren Ostens der kleinste Gegner, direkt vor der Tür. Ihn gilt es als erstes zu beseitigen. Selbstmordanschläge und andere Terrormaßnahmen legen seit Jahrzehnten die Grundlage dafür.

In der offiziellen und überall nachlesbaren Charta der Hamas, also der Verfassung dieser im Gazastreifen regierenden Partei und Terrororganisation heißt es in Artikel 13: „Ansätze zum Frieden, die sogenannten friedlichen Lösungen und die internationalen Konferenzen zur Lösung der Palästinafrage stehen sämtlich im Widerspruch zu den Auffassungen der Islamischen Widerstandsbewegung. Denn auf irgendeinen Teil Palästinas zu verzichten bedeutet, auf einen Teil der Religion zu verzichten; der Nationalismus der Islamischen Widerstandsbewegung ist Bestandteil ihres Glaubens. (…) Für die Palästina-Frage gibt es keine andere Lösung als den Dschihad. Die Initiativen, Vorschläge und Internationalen Konferenzen sind reine Zeitverschwendung und eine Praxis der Sinnlosigkeit.“

Irans Drohung gegen Israel

Zum finalen atomaren Endschlag rüstet sich derweil der Iran. Auf der Konferenz „Eine Welt ohne Zionismus“ am 26. Oktober 2005 in Teheran sagte der iranische Präsident vor Studenten: „Der Staat Israel wurde von der globalen Arroganz mit dem Ziel gegründet, einen Brückenkopf in die islamische Welt hinein zu errichten, um sie zu bekämpfen. Was in Palästina vorgeht, ist de facto eine Schlacht zwischen dem Welt-Imperialismus und der Heiligen Front der islamischen Welt. Inschallah (so Gott will) wird die Prophezeiung des Imams (Ajatollah Khomeini) bezüglich der Vernichtung Israels durch kontinuierliche Weisheit der Palästinenser (…) bald realisiert werden. Eine neue Welle ist im Anmarsch, und es ist machbar, dass dieser Schandfleck aus der islamischen Welt getilgt wird (…).“ Bei gleicher Gelegenheit machte er keinen Hehl daraus, dass diese Drohung nicht nur für Israel selbst, sondern auch für dessen Sympathisanten gilt: „Jeder, der Israel anerkennt, wird im Zornesfeuer der islamischen Nation verbrennen.“ (Bericht: hier)

Der nächste größere Gegner ist dann Amerika. Der 11. September war eine symbolische Ankündigungstat, eine Art Terror-PR-Coup, um der Welt zu dokumentieren, was man dort vor hat. Der ganz große Gegner aber ist der Rest der Welt und natürlich Europa: In Indien und Spanien hat man der Öffentlichkeit schon einmal eine Ahnung davon gegeben, dass es Schutzräume nicht gibt, solange in ihnen „Ungläubige“ leben.

Insgesamt werden den Terroranschlägen der al-Qaida bisher mindestens 4200 Tote zugeschrieben. Neben den rund 3000 Toten des 11. Septembers gab es 2002 bei Bombenanschlägen in Bali 202 Tote, 2004 in Madrid 191 Tote, 2005 in London mindestens 56 Tote, 2005 in Scharm al-Scheich 88 Tote und 2008 in Bombay 166 Tote, die ebenfalls höchstwahrscheinlich den Terrorzellen der al-Qaida oder ihrem Netzwerk zuzuordnen sind.

Aber das Problem geht weit über al-Qaida hinaus. In einem schleichenden, aber sehr systematischen Prozess wird auch der Widerstand aus dem Inneren der ungläubigen Gesellschaften organisiert. Der deutsche Verfassungsschutzbericht ist in diesem Zusammenhang eine außerordentlich spannende Lektüre:

„Bestrebungen islamistischer Organisationen richten sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung. Die meisten aktiven Gliederungen und Zweige islamistischer Organisationen türkischen, arabischen und vorder- bzw. zentralasiatischen Ursprungs wollen vorrangig die in ihren Heimatländern bestehenden, aus ihrer Sicht mit den Geboten des Koran und der Scharia nicht im Einklang stehenden Staats- und Gesellschaftsordnungen durch islamistische Staatswesen ablösen.

Einzelne erklären offen, auch die Weltherrschaft des Islam anzustreben. Um westlichen Einfluss in den muslimischen Ländern zurückzudrängen, schrecken viele auch vor Terroranschlägen außerhalb der Region nicht zurück. Andere islamistische Organisationen, darunter solche, die sich als Interessenvertreter großer Teile der im Bundesgebiet lebenden etwa drei Millionen Muslime sehen, wollen nicht mehr nur eine islamistische Gesellschaftsordnung in ihren Herkunftsländern, sondern ihre politisch religiösen Vorstellungen zunehmend auch in Deutschland umsetzen. Sie versuchen, für ihre Anhänger im Bundesgebiet Freiräume zu schaffen, in denen sie ein Leben nach der Scharia führen können.

Der Absolutheitsanspruch von Islamisten steht in unauflöslichem Widerspruch zu weiteren obersten Wertprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wie dem Gleichheitsgrundsatz, dem Mehrheitsprinzip oder dem Recht auf Bildung und Ausübung parlamentarischer Opposition.“

Es ist nicht antimuslimisch gegen den Islamismus zu sein

In der Bundesrepublik leben mindestens 3,5 Millionen Moslems, davon rund eine Million deutsche Staatsbürger. Über drei Millionen Moslems leben in Frankreich, über eine Million in Großbritannien. Mit zwei Millionen Moslems ist auch Moskau eine der großen muslimischen Städte der Welt. Erstmals in der Geschichte gibt es mehr Muslime als Katholiken auf der Welt.

Nach Angaben des Vatikans stellen Muslime nun 19,2 Prozent und Katholiken nur noch 17,4 Prozent der Weltbevölkerung. Die Islamisten unter den Moslems sind eine Minderheit. Das heißt: Fast alle Moslems sind potenziell Verbündete im Kampf gegen den Islamismus – und umgekehrt natürlich auch potenziell Gefährdete, um für eine Gefolgschaft im Zeichen des Islamismus gewonnen zu werden.

Die Frage ist nur, wer ist stärker: der gemäßigte, moderne Islam oder der radikale, vormoderne Islamismus? Wer heute gegen den Islamismus kämpft, kämpft für einen aufgeklärten, starken, gesellschaftlich selbstverständlich verankerten, erfolgreichen Islam. Es ist nicht antimuslimisch gegen den Islamismus zu sein. Im Gegenteil.

Europäische Perspektive

Übrigens ist es aus diesem Grund auch strategisch so wichtig, der Türkei den Weg in die Europäische Union offen zu halten. Die Türkei Atatürks steht für moderaten, demokratischen, Religion und Staat trennenden Islam. Deshalb ist es so wichtig, sie – unabhängig von kurzfristigen Fehlentwicklungen, die allerdings nicht harmlos sind – die Türkei als Verbündeten zu pflegen. Ein Konflikt der muslimischen Welt gegen die nichtmuslimische wäre erstens falsch, zweitens nicht zu gewinnen. Es kann immer nur darum gehen: die demokratische, freie Welt gegen die unfreie, nichtdemokratische Welt.

Freiheitsfreunde gegen Fundamentalisten, das ist eine Auseinandersetzung, die gewonnen werden kann – aber leider nicht gewonnen werden muss.

Europa ist als Entfaltungsraum für Fundamentalisten besonders attraktiv, weil auch Terroristen hier eine viel größere Freiheit genießen. Mehr Freiheit, Anschläge zu planen und auszuführen als in den meisten islamischen Ländern.

Der Pilot des 11. September, Atta, wurde ja auch in Deutschland ausgebildet, er studierte an der Technischen Universität Hamburg-Harburg Stadtplanung. 1999 beendete er sein Studium, währenddessen er keinen Hehl aus seinem Hass auf Juden, Amerika, Marktwirtschaft und Globalisierung machte, mit einem sehr guten Diplom. Die logistische Planung des 11. September fand ebenfalls größtenteils in Hamburg statt. Atta war eine Art Sektenführer, mehr Ausbilder und geistiger Führer als selbst Auszubildender – und blieb dabei unbehelligt.

Was tun, wenn es zum Äußersten kommt?

Der Islam-Forscher Bernhard Lewis beklagt, dass es radikalen Muslimen gelungen ist, in Europa so viele Verbündete zu finden. Nach links üben sie eine Anziehungskraft auf die antiamerikanischen Segmente in Europa aus, für die sie sozusagen die Sowjetunion ersetzt haben. Nach rechts üben sie eine Anziehungskraft auf antijüdische, rassistische Gesellschafts-Segmente in Europa aus.

Es ist ihnen gelungen, unter beiden Flaggen beachtliche Unterstützung zu gewinnen. Lewis vergleicht die Rolle des islamischen Fundamentalismus mit dem Nationalsozialismus und dem Bolschewismus: „Alle drei Gruppen haben viel gemein – und voneinander gelernt.“ Vor allem eines , so Lewis: „ ihre Fähigkeit, die Schwächen in unserer Gesellschaft zu entdecken und auszunutzen. Zum Beispiel unsere pluralistische Offenheit und der Mangel an Konsequenz in Zeiten, in denen Konsequenz besonders nötig ist.“

Was folgt daraus: Sollen wir so entschlossen agieren, dass wir dabei die demokratischen Grundrechte und Menschrechte mit Füßen treten? Nein. Aber was tun, wenn es eines Tages zum Äußersten kommt?

Sehr klar spricht Lewis aus, was in vielen Deutschen Debatten immer noch als Panikmache abgetan wird – die Gefahr, dass eines Tages Atomwaffen eingesetzt werden. Das Problem ist, dass der Westen gerne seine Feinde nach eigenen Maßstäben ausrechnet. Nach dem Motto: Wir würden doch auch nie eine Waffe einsetzen, die dramatische Opfer unter den eigenen Landsleuten fordert.

Das Dilemma der Freiheits-Falle

Lewis prognostiziert dagegen: „Terroristen würden nicht zögern, nukleare Waffen zu benutzen. Für sie, mit ihrer apokalyptischen Vision, wirkt eine derartige Zerstörung nur noch viel verlockender.“ Was ist dann die Ultima Ratio? Und wann ist die Zeit dafür gekommen?

Der Schriftsteller Leon de Winter hat sich immer wieder mit diesem Thema beschäftigt. Sein Fazit ist düster: „Reguläre Armeen können mit dem Terrorismus nicht fertig werden und reguläre Gesetze taugen nicht für die Bekämpfung und Bestrafung der Terroristen. Die machen, was sie wollen, und wenn sie dabei erwischt werden, verlangen sie, dass man sie nach den Regeln behandelt, die sie verachten und die sie nie praktizieren würden, wenn sie das Sagen hätten. Das ist das große Handicap von Demokratien und Rechtsstaaten: Die Terroristen wissen, dass diese sich an die Spielregeln halten, auch im Extremfall.“

Und auch bei de Winter führt das Dilemma der Freiheits-Falle zur Gegenfrage: „Wie kann man überleben, wenn man sich an Regeln hält, die der Feind nicht akzeptiert?“

Ein Schritt könnte darin bestehen, dass der kleine harte Kern radikaler Islamisten durch die weltweit überwiegende Schar nichtradikaler Moslems isoliert wird. Es müsste doch möglich sein, sozusagen im innermuslimischen Dialog den Missbrauch der Religion durch Fanatiker so zu diskreditieren, dass die Bewegung der Fundamentalisten zumindest nicht mehr wächst und mittelfristig sogar geschwächt wird.

„Problematische Einstellungsmuster“

Um es deutlich zu sagen: Es sieht nicht danach aus. Bisher gibt es zumindest kein Anzeichen, dass sich eine solche Bewegung moderater Moslems im größeren Stil artikulieren oder gar durchsetzen würde.

In Deutschland erschien 2007 eine 509 Seiten dicke Studie „Muslime in Deutschland“. (Bericht: hier) Sie wurde vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegeben und von den Hamburger Wissenschaftlern Katrin Brettfeld und Peter Wetzels am Institut für Kriminologie der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Uni Hamburg durchgeführt. 1750 Moslems wurden in Telefoninterviews zu den Themen religiöse Einstellungen, Verhältnis zum Rechtsstaat, Sprachenkenntnisse, Bildung und Gewaltbereitschaft befragt. Dabei kam heraus, dass etwa 40 Prozent der Muslime hierzulande „fundamental orientiert“ sind.

Merkmale dafür sind: eine enge religiöse Bindung, hohe Alltagsrelevanz der Religion, die starke Ausrichtung an religiösen Regeln und Ritualen verbunden mit einer Tendenz, „Muslime die dem nicht folgen auszugrenzen sowie den Islam pauschal auf- und westliche, christlich geprägte Kulturen abzuwerten“.

14 Prozent aller Befragten haben „problematische Einstellungsmuster“ – das bedeutet laut Studie, dass sie entweder eine hohe Distanz zu Demokratie, und/oder eine hohe Akzeptanz zu politisch-religiös motivierter Gewalt zeigen.

Knapp 40 Prozent der muslimischen Befragten halten „physische Gewalt als Reaktion auf die Bedrohung des Islams durch den Westen für legitim“. Fast 9 Prozent halten die Formulierung, dass Selbstmordattentate feige seien und der Sache des Islam Schaden zufügen, für falsch. Mehr als 8 Prozent der muslimischen Studenten gehen auf Distanz zur Demokratie, etwa 6 Prozent von ihnen sind gleichzeitig demokratieskeptisch und befürworten die Scharia.

Schwäche und Furcht ermutigen den Gegner

Was macht man mit solchen Erkenntnissen? Mehr Dialog wagen? Ja, aber das reicht nicht. Die entscheidende und oft verdrängte Frage ist die nach der Wehrhaftigkeit des Westens, nach dem Selbstbehauptungswillen und der Selbstbehauptungsfähigkeit der Freiheit.

Bernard Lewis, von seinen Anhängern als mutigster wissenschaftlicher Mahner islamistischer Entwicklungen bewundert, von seinen Gegnern als Scharfmacher und Stichwortgeber der Bush-Administration und der Neocons gegeißelt, ist weder das eine noch das andere. Mit dem Trauma des Holocaust in den Knochen und mit methodisch schwer diskreditierbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen im Gepäck, gehört er zu den wenigen, die sich einem Zeitgeist eleganter Kompromisse meinungsfreudig in den Weg stellen.

Appeasement

In diesem Sinne bleibt er einer der wenigen entschiedenen Kritiker des europäischen Appeasements: „Das Ringen mit den Islamisten ist weder verloren noch gewonnen. Wir haben überlebt, weil die Feinde noch größere Fehler als wir gemacht haben… Das ist die Erfahrung meiner Generation, die das Beugen vor der Terrorgefahr mit der Politik der Beschwichtigung, Appeasement, des damaligen britischen Premiers Chamberlain und dem Münchner Abkommen verbindet. Zwar leben wir in einer anderen Zeit. Doch sind die Grundprinzipien des menschlichen Benehmens gleich: Schwäche und Furcht ermutigen den Gegner.“

Dies gilt noch mehr zumal der Gegner in diesem Fall einen völlig anderen Wertekanon besitzt und keineswegs mit westlich demokratischen, humanistischen Reflexen operiert. Es ist ein Kardinalfehler des Westens, seine fundamentalistischen Freiheitsgegner dennoch nach eigenen Kriterien und Mustern auszurechnen. Das sind Erfahrungsschätze wie etwa: wenn man die Hand reicht, wird sie allein schon aus Höflichkeit ergriffen.

Falsch. Was ist denn mit der Hand Obamas geworden, die er Ahmadinedschad angeboten hat? Die hängt immer noch ziemlich verloren im luftleeren Raum. Eine Geste, die in Teheran auf Gelächter gestoßen ist, und die als Zeichen der Schwäche und Ermutigung zu radikalerem Vorgehen gedeutet wird.

Ein anderes Beispiel: Keine Regierung wird etwas unternehmen, bei dem sie das Leben Hunderttausender der eigenen Zivilbevölkerung aufs Spiel setzt (beispielsweise: einen Atomerstschlag mit dem Risiko des Gegenschlages).

Falsch. Wer es sich zum Ziel gesetzt hat, die Welt von Ungläubigen zu befreien und dabei zuerst den Zionistenstaat Israel von der Landkarte tilgen will, der wird den Heldentod seiner Landsleute im Heiligen Krieg nicht als Opfer, sondern als schnelleren Weg ins Paradies sehen und begrüßen. Die Psychologie des Selbstmordattentäters liegt im erlösenden Knall des Sprenggürtels.

Die chinesische Lösung

Ob der nun um die eigene Hüfte geschnallt ist oder sinnbildlich um weite Teile des eigenen Volkes, spielt dabei keine Rolle. Das ist eben der Unterschied zwischen der Psychologie von Fanatikern und der von Demokraten. Es kann deshalb folgenschwer sein, eigene Verhandlungs- und Verhaltensmuster auf seine Gegner zu übertragen.

Ein letztes besonders folgenschweres Missverständnis ist die weitverbreitete Auffassung, der iranische Präsident drohe zwar immerzu, vor allem mit der Vernichtung Israels und neuerdings auch mit der Entwicklung von Nuklearwaffen, aber das seien nur taktische Drohungen, umsetzen werde er das ja nie. Nach dem Motto: Hunde, die bellen, beißen nicht. Für diese Ansicht gibt es nicht die geringste Evidenz. Diktatoren, die bellen, beißen sehr wohl. Mehr noch: Diktatoren tun in der Regel ziemlich präzise das, was sie öffentlich ankündigen.

Mao Tse-tung sagte am 13. August 1945: „Wir sind verpflichtet, das Volk zu organisieren. Was die chinesischen Reaktionäre betrifft, so sind wir verpflichtet, das Volk zu organisieren, damit es sie niederschlägt. Für alles Reaktionäre gilt, dass es nicht fällt, wenn man es nicht niederschlägt. Es ist die gleiche Regel wie beim Bodenkehren – wo der Besen nicht hinkommt, wird der Staub nicht von selbst verschwinden.“

Die sowjetische Lösung

Diese Aussagen erfolgten Jahre vor der Massenvernichtung durch Maos diverse Kampagnen und Aktionen. In den Jahren 1949-1975 forderte seine Diktatur rund 76 Millionen Todesopfer. Und von Josef Stalin stammt der Satz: „Wenn auch nur fünf Prozent der Getöteten wirkliche Feinde seien, dann ist das Ziel erreicht.“ Das ist die Ankündigung wahllosen Massenmords in der Annahme, durch pure Stochastik schon die Richtigen zu erwischen.

Die Parallele zum 11. September und etwa zu Bernard Lewis’ Aussage, radikale Islamisten machten keinen Unterschied, wen sie töteten, Militärs oder Zivilisten, drängt sich auf. Auch zu Maos Analogie vom Besen passt das, noch mehr, wenn man an den Begriff der „Stalinistischen Säuberungen“ denkt: Allein während der „Großen Säuberung“ von 1936 bis 1938 starben jeden Tag etwa 1000 Menschen, insgesamt variieren die Zählungen der Todesopfer von 9 bis 22 Millionen.

Die Diktatoren der Geschichte, allen voran Hitler, Mao und Stalin, haben Massenmord, die Durchsetzung ihrer Ideologie ohne Rücksicht auf Verluste, in ähnlicher Weise angekündigt, wie es Ahmadinedschad oder Osama bin Laden heute tun. Wie bei Mao oder Stalin ist ihr Ziel, die Welt besenrein zu machen für den Einzug des fundamentalistischen Islam.

Mahmud Ahmadinedschad

Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang noch einmal Hitlers „Mein Kampf“ zu lesen. Hitler schrieb „Mein Kampf“ ab 1924 als er noch in der Festung Landsberg inhaftiert war – fast ein Jahrzehnt vor seiner Machtergreifung also. Umso frappierender ist die Deckungsgleichheit seiner Ankündigungen aus dem Buch mit den späteren historischen Fakten. Wir sind also gut beraten, vorsichtshalber auch in Zukunft davon auszugehen, dass Diktatoren tun, was sie sagen.

Wie kommt es, dass eine so nachweisbar gewaltsame, antifreiheitliche Bewegung wie der Islamismus inklusive aller realpolitischen Konflikte von Afghanistan über Pakistan bis Iran bei uns als gesellschaftliche Bedrohung mindestens verharmlost, wenn nicht hier und da sogar in einem beklemmend verständnisvollen Licht gesehen werden? Und warum haben in diesem Zusammenhang viele sogar für etwas Verständnis, was sonst in Deutschland verlässlich (und glücklicherweise) zu einem gesellschaftlichen Tabu geworden ist: die massive Diskriminierung von Frauen?

Als vor einigen Jahren eine Marokkanerin sich wegen fortgesetzter Misshandlung vorzeitig scheiden lassen wollte, lehnte eine deutsche Richterin dieses Ansinnen ab, indem sie auf den kulturellen Hintergrund der Ehe und das im Koran verankerte Züchtigungsrecht verwies. Konkret zitierte sie Sure 4,34: „Die Männer sind den Weibern überlegen (…) Diejenigen aber für deren Widerspenstigkeit ihr fürchtet – warnet sie, verbannet sie in die Schlafgemächer und schlagt sie.“ Mit dem gleichen Argument wurden von deutschen Gerichten auch immer wieder sogenannte „Ehrenmorde“ milder beurteilt, weil man ja Verständnis für den kulturell-religiösen Kontext haben müsse.

Die merkwürdige deutsch-europäische Neigung zur Selbstaufgabe

Ulrike Ackermann schreibt dazu: „Eine dem Multikulturalismus verpflichtete Toleranz gegenüber den Parallelgesellschaften, in denen die individuelle Freiheit weder ein schützenswertes Gut noch ein akzeptierter Wert ist, verschließt die Augen, vor der sozialen und kulturellen Sprengkraft, die ihnen eigen ist. Wenn sie diese Intoleranz duldet, gibt sie sich selbst auf.“

Es ist eine Gefahr des in der Freiheits-Falle sitzenden Selbstverständnisses, dass man Toleranz solange absolut setzt, bis sie zur Toleranz gegenüber der Intoleranz wird. Ein folgenschweres Missverständnis: Für die Intoleranz anderer darf es kein Verständnis geben. Nur die Intoleranz der Intoleranz erhält die Freiheit.

Bei der Suche nach Gründen für diese merkwürdige deutsch-europäische Neigung zur Selbstaufgabe, zum falschen Toleranzverständnis, das dann etwa dazu führt, dass Weihnachtsdekoration in Schulen verboten wird, weil das die Gefühle muslimischer Schüler verletzen könnte, findet Ulrike Ackermann eine interessante Spur: „Ein tief sitzendes Schuldgefühl angesichts der europäischen Kolonialgeschichte speist den Multikulturalismus und schürt die westlichen Selbstzweifel, die sich zum Selbsthass steigern und die eigenen Werte und Traditionen radikal in Frage stellen. Die Mehrheitsgesellschaft bezichtigt sich dann der Schuld an der Selbstausgrenzung der Muslime und ihrem Rückzug in Parallelgesellschaften.“

Ob an deutschen Schulen oder an den internationalen Konfliktfronten – der Westen (mit Ausnahme Amerikas) organisiert artig seine kulturelle und machtpolitische Selbstaufgabe – und da, wo er es mal nicht tut ist schnell der Vorwurf des Hegemonialstrebens oder der Intoleranz gegenüber dem Andersartigen zur Hand. Und wenn dann doch mal jemand gegen die Sprachregelungen der „political correctness“ aufbegehrt, dann wird man schnell in die Zonen der intellektuellen Wüterei verbannt, aus der es im aufgeklärten, feinsinnigen intellektuellen Diskurs kaum noch ein entrinnen gibt.

Henryk M. Broder schrieb in einem Artikel in der „Welt“ „Warum die revolutionäre Linke Israel so hasst“: „Tatsächlich ist der Antisemitismus, der auf die Vernichtung der Juden zielte, von einem Judenhass abgelöst worden, der seine eigene Entlastung sucht. Deswegen phantasieren seine Träger mit Hingabe darüber, dass die Israelis den Palästinensern das antun, was die Nazis den Juden angetan haben; dass es heute in Gaza so zugeht wie früher im Warschauer Ghetto. Und nennen solche Halluzinationen „Israelkritik“. Aber die so genannte Israelkritik hat wenig mit den Zuständen in Palästina und sehr viel mit den Bedürfnissen der Israelkritiker zu tun, die unter der Last der eigenen Geschichte ächzen. Es sind nicht die Israelis bzw. die Juden, die von Hitler nicht loskommen, es sind die Deutschen, die im Schatten des großen Diktators leben, in einer Art Daueralarm, der auch bei nichtigstem Anlass aktiviert wird, wenn z.B. eine Fernsehmoderatorin „Autobahn“ oder „innerer Reichsparteitag“ sagt.“ (Lesen Sie hier den ganzen Broder)

Mit dieser Mentalität sind wir schwach, verletzbar und gefährdet in den Auseinandersetzungen der nächsten Jahrzehnte. Wenn es schon keine grundsätzlichen Überzeugungen sind, die uns in diesem Kulturkampf leiten, und wenn schon in all diesen Fragen soviel Gepäck aus der deutschen Kolonialgeschichte und der Geschichte des Dritten Reiches mitzuschleppen ist, dann könnte es ja eigentlich der geschichtlich abgeleitete Altruismus sein, der Deutschland motiviert, eindeutiger, selbstbewusster, klarer Position zu beziehen.

„Komm und töte ihn!“

Das erste Opfer des islamistischen Heiligen Kriegs soll, so ist es mehrfach angekündigt, Israel sein. Jehuda Bauer stellte 2002 fest „Die Sprache des Islamismus ist klar und deutlich genozidal. Eine Wiederholung des Massenmordes an den Juden wird angestrebt, das ist schwarz auf weiß nachzulesen.“

Wer das – auch nach den öffentlich gemachten Nuklearplänen Ahmadinedschads – für übertrieben hält, dem sei noch einmal die Lektüre der Charta der Hamas empfohlen. Diesmal Artikel 7, eine Schlüsselstelle: „Weil Muslime, die die Sache der Hamas verfolgen und für ihren Sieg kämpfen (…) überall auf der Erde verbreitet sind, ist die Islamistische Widerstandsbewegung eine universelle Bewegung. (…) Hamas ist eines der Glieder in der Kette des Dschihad, die sich der zionistischen Invasion entgegenstellt. (…) Der Prophet – Andacht und Frieden Allahs sei mit ihm, – erklärte: Die Zeit wird nicht anbrechen, bevor nicht die Muslime die Juden bekämpfen und sie töten; bevor sich nicht die Juden hinter Felsen und Bäumen verstecken, welche ausrufen: Oh Muslim! Da ist ein Jude, der sich hinter mir versteckt; komm und töte ihn! (…)“

Wollen wir Deutsche dabei zusehen? Und wie konnte ein früherer deutscher Außenminister allen Ernstes die Position bundesrepublikanischer Diplomatie zwischen Palästinensern und Israelis mit dem Begriff „Äquidistanz“ belegen?

Israel und das Messen mit zweierlei Maß

Äquidistanz zwischen einem Aggressor, der das Mittel der Selbstmordanschläge systematisch einsetzt, und einem demokratischen Verteidiger, der beim Kampf um sein Existenzrecht weltöffentlich militärische Pannen und ungeschickte Geheimdienstaktionen rechtfertigen muss. Wehe, wenn dann einmal ein richtiger Fehler passiert, die Etablierung neuer Wohnungen für israelische Siedler in Ostjerusalem, etwas, das so ungeschickt und dumm ist, als hätten es die Feinde Israels ersonnen.

Auf Jahre hinaus wird das – zu Recht – gegen Israel verwendet werden, auch wenn man dabei vergisst, dass wieder einmal mit zweierlei Maß gemessen wird. Die einzig richtige Haltung Deutschlands und Europas wäre in der Israel-Frage ein klares Bündnis zu Israel – an der Seite der Vereinigten Staaten.

Nur das, verbunden mit klaren Sanktionen und militärischen Reaktionen, sobald die Spielregeln von irgendjemandem missachtet werden, könnte in der Region Stabilität bewirken. Von Frieden wage ich nicht zu sprechen. Aber zumindest Stabilität, das wären wir dem kleinen Land am Meer schon schuldig. Wenn es also auch keine altruistischen Motive sein dürfen, dann bleiben nur noch blank egoistische Gründe, und die gibt es genug: Es ist im Interesse Deutschlands an der Seite Israels zu stehen. Wenn Israel fällt, fällt langfristig auch der Westen, Europa, Deutschland.

Gegenwehr, Geschlossenheit und Stärke

Solange Europa und Amerika sich in ihrer Haltung gegenüber Israel und den fundamentalistischen Nachbarregimes gegeneinander ausspielen lassen, besorgen sie die Arbeit ihrer gemeinsamen Feinde. In Israel, in Afghanistan, im Iran, im Irak in Pakistan, aber auch in Berlin, London und Paris, also überall wo die westliche Welt mit den Terrorkommandos der Freiheitsfeinde konfrontiert wird, hilft nur eine Politik der Geschlossenheit und der Stärke.

Jedes andere Signal wird falsch verstanden. Wir haben es mit einer anderen Kultur, mit einer anderen Mentalität, mit einem anderen Werterahmen zu tun. Wir stehen hier im Konflikt mit Terroristen, die von Vernichtungs- und Allmachtsphantasien getrieben werden, nicht mit Demokraten, die ihr Handeln im Rahmen von Humanismus und Rechtsstaat abwägen.

Nur Gegenwehr, Geschlossenheit und Stärke wird die Angriffe auf unsere freiheitliche Ordnung verlangsamen und schwächen. Aber was heißt Stärke? Stärke bedeutet natürlich, dass der gesamte Rahmen demokratischer und rechtsstaatlicher Mittel ausgeschöpft wird, um eine fatale Toleranz gegenüber der Intoleranz zu vermeiden.

Aber Stärke ist vor allem eine Frage des Bewusstseins. Wir müssen von unseren Werten und unserem Ordnungssystem überzeugt sein, nur dann können wir es erfolgreich verteidigen, aktiv und selbstbewusst. Es ist kein Zeichen von Chauvinismus, wenn wir unsere freiheitliche Grundordnung für besser halten. Es wäre falscher, menschenfeindlicher, letztlich zynischer Relativismus, wenn wir sagen würden: die Wahrheit liegt in der Mitte. Eben nicht.

Ihr wusstet doch, wohin Appeasement führt

Die Grenzen für die Methoden und Mittel der Auseinandersetzung definiert die Freiheit selbst: Wir können nicht Meinungen unterdrücken oder Nachrichten manipulieren, im Namen der Freiheit, wir können nicht foltern, im Namen der Freiheit. Aber wir können uns wehren, so clever und erfolgreich wie möglich – für die Freiheit.

Ich möchte nicht in zwei Jahrzehnten von meinen Kindern und Enkeln gefragt werden: Warum habt ihr damals nichts getan? Ihr habt doch sehen können und sehen müssen, was passiert. Und Ihr konntet doch die Lektionen von 1938 in den Geschichtsbüchern nachlesen. Ihr wusstet doch, wohin Appeasement führt.

Krieg ist furchtbar. Krieg will niemand. Deshalb muss alles unternommen werden, um weitere Kriege zu vermeiden. Dass es die deutsche Politik im Verbund mit deutschen Unternehmen aber noch nicht einmal schafft, stringente Wirtschafts-Sanktionen im Iran durchzusetzen, ist peinlich und beschämend. Und unklug.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Zusammenhang mit der Atompolitik des Iran in absehbarer Zukunft zu einer militärischen Auseinandersetzung in der Region kommt, ist extrem hoch. Entweder werden die Amerikaner aktiv, oder Israel wird es aus Selbstschutz tun. Dass ein Volk, dass durch den Holocaust beinnahe vollständig vernichtet worden ist, geduldig wartet, dass es von den aggressivsten Antisemiten der Gegenwart in dem Land vernichtet wird, das ihm als sicherer Hafen, als ultimativer Fluchtpunkt alles bedeutet, ist unwahrscheinlich – und schwer zu erwarten.

Israel wird also, insbesondere, wenn es sich allein gelassen fühlt, aktiv. Spätestens dann stellt sich die Frage: helfen oder der Vernichtung Israels zusehen. Dies ist der Ausgangspunkt für die nächste große Auseinandersetzung um unsere Freiheit.

Und wenn es überhaupt eine Chance gibt, diese Eskalation zu vermeiden, dann nur durch rechtzeitig demonstrierte absolute Geschlossenheit des Westens. Wenn Europa tatenlos zusieht, wird es sich erneut als zahnloser Tiger, als Opportunist blamieren. Wenn Amerika nichts tut, wird der amerikanische Präsident als Totengräber der freiheitlichen westlichen Wertegemeinschaft in die Geschichte eingehen. Das wird er – und vor allem sein Umfeld – nicht wollen.

Nie wieder Unfreiheit

Und die Deutschen? Ich fürchte: Die Deutschen haben aus dem Trauma des Dritten Reiches und des Holocaust leider überwiegend die falsche Lektion gelernt. Das nationalsozialistische Deutschland war eine von einem Diktator geführte Gesellschaft, die auf einer systematisch angelegten Freiheitsberaubug des Individuums basierte. Kollektivistisch, autoritär, ressentimentgeladen, neidgetrieben, rassistisch, nationalistisch, sozialistisch trieb Deutschland auf Vernichtungskrieg und Massenmord zu, ohne dass jemand rechtzeitig einschritt.

Die Lektion dieser Erfahrung hätte sein müssen: Nie wieder Unfreiheit, nie wieder Rassismus, nie wieder antidemokratische Autorität. Und vor allem: Mehr Wehrhaftigkeit der freien Gesellschaften.

Konkret heißt das: Wehret des Anfängen!

Und noch konkreter: Wo immer unfreiheitliche Energien auszumachen sind, vor allem dort, wo sie unsere Interessen berühren, muss mit Nachdruck und zur Not, als ultima ratio auch mit militärischen Mitteln die Freiheit verteidigt werden. Und der beste Weg die ultima ratio nicht eintreten zu lassen ist es, sie nicht auszuschließen.

Stattdessen hat man die deutsche Lektion so interpretiert: Nie wieder Krieg, nie wieder militärische Involvierung, nie wieder sollte Deutschland irgendwo eine Führungsrolle übernehmen wollen. Der gute Deutsche als europäisches Wir ohne eigene Interessen, als Pazifist, der sich heraushält. Dass mit dieser Haltung Unfreiheit, Diktatur, Rassismus, Massenmord ermöglicht statt verhindert werden, ist bisher kaum aufgefallen. Lernen wir aus der Geschichte nur, dass wir aus der Geschichte nichts lernen? Oder wird der freie Westen es diesmal besser machen?

Der 11. September war das Menetekel eines Heiligen Kriegs gegen unsere westlich-freiheitliche Lebensform. Entweder wir haben die Symbolik des gefallenen World Trade Centers verstanden und nehmen den Kampf an. Oder wir sind verloren.