Henryk M. Broder – gerade erst vom Spiegel zum Springer-Verlag gewechselt – hat sich in einem herrlich geschriebenen Welt-Online Kommentar mit einer Fuhre scharf-geschliffener Worte an seinen ehemaligen Verleger Jakob Augstein gerichtet. Der wiederum hatte zuvor die FAZ dafür kritisiert, Thilo Sarrazin just zu Weihnachten so umfangreich Platz für eine Abrechnung mit seinen Kritikern gegeben zu haben. So zeichnet sich ab, was als weiterer Verdienst des Thilo Sarrazin ins Buch der Geschichte eingehen könnte: die Medien kehren zurück zu alten Fronten. Endlich!

(Kommentar von Frank Furter)

Just als es unererträglich wurde, um nicht zu sagen lächerlich, betrat Thilo Sarrazin die mediale Bühne und brachte eine Diskussion in Gange, die erstens überfällig war, weil sie zweitens über Jahre totgeschwiegen wurde. Denn zum Thema Integration wurde dem interessierten Bürger vom gesamten Spektrum so genannter Mainstreammedien ständig der immer selbe miefige Einheitsbrei vorgesetzt – von seltenen „Entgleisungen“ mal abgesehen.

Ein vorläufiger Höhepunkt der Idiotie war im letzten Sommer erreicht, als die deutsche Fußballnationalmannschaft dazu missbraucht wurde, die medial gesähten Irrlehren vom Friede-Freude-Eierkuchen-Multikulti à la Claudia Roth zu beweisen. Während die noch multikulturellere französische Nationalmannschaft in Südafrika am gegenseitigen Hass der Spieler zerbrach, und die absolut monokulturelle spanische Seleccion Weltmeister wurde, fluteten deutsche Medien den geistigen Raum des Landes mit Lobgesang auf Einwandererkinder, die mit dem Adler auf der Brust das „neue Deutschland“ repräsentierten. Wenige Monate später sollten zahlreiche andere Einwandererkinder im Berliner Olympiastadion mit Buhrufen und Pfiffen zur Schau tragen, was sie von der Integrationsbereitschaft des vielgerühmten Mesut Özil halten.

Doch bevor es dazu kam, war es an ebenjenem Thilo Sarrazin, kräftig Öl ins beinahe erloschene Feuer der Integrationsdebatte zu gießen, indem er feststellte, was zwar jeder sehen kann, aber keiner mehr sagen durfte: dass es nämlich um die Integration längst nicht so gut bestellt ist, wie man es sich in Politik und Medien gerne vorgegaukelt hat. Und dass man unter Einwanderergruppen differenzieren muss, um festzustellen, welche davon einem erfolgreichen Integrationsprozess entgegen stehen.

Dem Volk sprach Sarrazin damit aus der Seele. Er brachte auf den Punkt – in Zahlen, Tabellen und Statistiken – was viele aufgeklärte Bürger beim Gang durch unsere Städte denken: die unübersehbare und offenkundige Integrationsverweigerung muslimischer Einwanderer – bzw. einer statistisch auffälligen Anzahl derselben. Und plötzlich lag in Scherben, was sich Medien und Politik über Jahre hinweg zurechtgereimt hatten: die Lüge des Jahrzehnts; der vielbeschworene „parteiübergreifende Konsens“, gegen den zu verstoßen einem politischen Selbstmord gleichkam.

Dabei hatte es kritische Bücher zu dem Thema auch schon vorher gegeben. Verfassen durfte sie aber nur, wer wie Broder oder Kelek auf Grund seiner Abstammung über den Verdacht des Rechts-Seins erhaben war – recht haben durften aber auch die nicht. So war Sarrazins größte Leistung wohl weniger das Buch selber, sondern viel mehr die Art und Weise, wie er dieses mitsamt seiner Thesen in der öffentlichen Debatte platzierte. Entscheidend dabei waren die Vorveröffentlichungen in der Bildzeitung und bei Spiegel-Online – umso bemerkenswerter also, dass nun Rudolf Augstein der FAZ den Vorwurf macht, dass sie Sarrazin auf einer ganzen Seite ihrer Weihnachtsausgabe zu Wort kommen ließ.

Auf die Vorveröffentlichungen folgte der Gang in politische Talkshows. Nun war es an den Medien reinzuwaschen, was der Politik aus den Händen glitt. Doch der Schuss ging nach hinten los, Jeder weitere Versuch der öffentlichen Demontage Thilo Sarrazins bestärkte gar das Interesse und den Zuspruch weiter Teile der Bevölkerung. Und spätestens mit seinem erzwungenen Abgang bei der Bundesbank war Thilo Sarrazin mehr als nur ein Bestseller-Autor: das ungewollte Produkt derer, die ihn mundtot machen wollten, quasi ein medialer Märtyrer.

Denn zu offensichtlich und zu einseitig war die Hetzkampagne, mit der Medien und Politik über Sarrazin herbrachen. Das Volk jedoch ist nicht so dumm, wie man es in Parteizentralen und Redaktionsstuben gerne hätte. Im Gegenteil: ein Buch voller Zahlen und Statistiken, ohne Bilder oder Romantik, ohne Story oder Happy End, schaffte einen beispiellosen Verkaufsrekord. Wer hätte so etwas für möglich gehalten?

Nun gab also die FAZ Sarrazin die Möglichkeit, sich medial quasi-posthum zu seiner öffentlichen Hinrichtung zu äußern. Wenn Augstein kritisiert, dass dies just an Weihnachten geschah, wäre man scherzhaft geneigt, ihm dahingehend zuzustimmen, dass sich Ostern für eine Auferstehung freilich besser geeignet hätte. Doch so lange wollten wohl weder Thilo noch die FAZ warten. Und 1,2 Millionen Buchkäufer plus Millionen weiterer Sympathisanten sehen das wohl ähnlich. Der Widersinnigkeit Augsteins zu widersprechen, soll Henryk M. Broder vorenthalten bleiben, dessen hervorragender Welt-Online-Kommentar nur deswegen hier unzitiert bleibt, da man ihn in seiner Gänze genießen sollte – was hiermit jedem Leser empfohlen ist.

Dem Frank Furter bleibt nur, hinzuzufügen, dass Thilo Sarrazin ein weiteres mal Dank gebührt, hat er schließlich nicht nur die Integrationsdebatte konstruktiv wiederbelebt und offenkundige Wahrheiten endlich dort platziert, wo sie hingehören – in die Öffentlichkeit. Nein, Thilo Sarrazin darf sich noch eines weiteren Verdienstes wegen feiern lassen: der Wiedergeburt deutscher Diskussionskultur, frei von den Scheuklappen der Political Correctness.

Nach der Publikation seines Buches und der ersten Woche der öffentlichen Hinrichtung nahm die Zahl Sarrazin-freundlicher Kommentare spürbar zu. Frühzeitig war in der FAZ manch erfreulich freigeistiger Beitrag zu lesen, der Fokus ließ Hans-Olaf Henkel mit einer Verteidigungsrede zu Wort kommen, und Springermedien wie Bild und Welt erhörten schnell Volkes Ruf nach Aufklärung und Korrektur der öffentlichen Debatte. Dem entgegen positionierten sich linke Medien wie Spiegel, taz, FR und Co. klar gegen Sarrazin, und halten diese Stellung – von wenigen Ausnahmen abgesehen – bis heute. Doch ihre Argumentation ist nur allzuoft von minderwertiger Gestalt; sie reduziert sich auf Hass und Aversionen gegen den Autor, eine inhaltliche Auseinandersetzung zum Thema Integration bleibt die Linke bis heute schuldig. Doch ihr Verleumdungsmechanismus hat sich abgenutzt, der pure Vorwurf, „rechts“, „populistisch“ oder gar „rassistisch“ zu sein, genügt nicht mehr zum mundtot machen ganzer Meinungen.

Die Medien kehren zurück zu alten Fronten! Und das ist auch gut so. Von einer sachlichen Auseinandersetzung und einer gesunden Diskussionskultur mag noch längst nicht die Rede sein. Aber die breite Zustimmung zu Sarrazins Thesen und der Verkaufserfolg seines Buches hat doch vor allem klassisch konservativen Medien vor Augen geführt, dass die rückgängigen Absatzzahlen der vergangenen Jahre nicht nur in der neuen digitalen Konkurrenz, sondern vor allem in einer inhaltlichen Diskrepanz zwischen der öffentlichen und veröffentlichten Meinung begründet ist.

Und so wie mangelnder Verkaufserfolg bürgerlicher Zeitungen in fehlender Präsenz bürgerlicher Meinungen begründet war, so erklärt sich der Politikverdruss weiter Bevölkerungsteile in dem offenkundigen Mangel konservativer Positionen im Parlament. Der nächste notwendige Schritt muss also sein, diese Positionen wieder in die Parlamente dieses Landes zu bringen. Die Zeit dafür ist günstig, wenn schon manch Zeitungskommentator neuerdings den Mut aufbringt, ungeschönt die Probleme unserer Zeit anzusprechen. Ob jedoch die etablierten Parteien dazu im Stande sind, die Zeichen der Zeit richtig zu deuten, ist mehr als fraglich. Schlussendlich haben sie zudem ein Glaubwürdigkeitsproblem, da sie allesamt und in vergleichbarem Ausmaß an den bestehenden Problemen mitschuldig sind.

Die Debatte rund um Thilo Sarrazin war aus integrationspolitischer Sicht der große Meilenstein im Jahr 2010. Doch geredet wurde genug. Nun müssen Taten folgen, und wenn die etablierten Parteien dazu nicht im Stande sind, müssen sich eben neue Partein etablieren und tun, was getan werden muss, damit Deutschland sich nicht abschafft. Denn wir wollen nicht abgeschafft werden. Die ersten Grundsteine für unser Überleben scheinen gelegt. Bleibt zu hoffen, dass dessen Ergebnisse zu den großen Meilensteinen der nächsten Jahre werden.