Heute vor vier Monaten wurde die Leiche von Kirsten Heisig in einem Waldstück im Tegeler Forst bei Berlin-Heiligensee aufgefunden. In den letzten Jahren machte die Jugendrichterin in zweierlei Hinsicht auf sich aufmerksam: Erstens entwickelte sie ein Modell zur raschen Verurteilung jugendlicher Straftäter. Zweitens sprach sie gezielt die Gewalt von Einwanderern gegenüber Deutschen an. Wenige Wochen nach ihrem Tod erschien ihr Buch „Das Ende der Geduld“.(Von Linda Lindauer / Siehe auch PI-Buchtipp vom 19. August)
Auf rund 200 Seiten berichtet die Autorin von kriminellen Jugendlichen und mit welchen Methoden man ihnen begegnen bzw. ihnen Grenzen setzen kann. Dass Heisig dabei nicht nur über ausländische (v.a. moslemische), sondern auch über deutsche Jugendliche spricht, ist konsequent. Links- und rechtsextreme Jugendliche tragen mit ihrer Gewalt sowohl gegen Menschen als auch gegen Sachen dazu bei, die Kriminalstatistik nach oben zu schrauben.
Trotzdem bleibt sich Heisig treu und spricht aus, was Grüne zur Weißglut bringt, so auf Seite 70: „Die ‚Rechten‘ spielen (…) in diesem Land bei Weitem nicht die Rolle, die ihnen beigemessen wird.“ Stattdessen widmet die Autorin den Schlägern und Vergewaltigern aus dem islamischen Kulturraum genügend Raum: Als Richterin hat sie mitbekommen, wie gewaltbereite junge Moslems ihre deutschen Freundinnen schikanieren, keinen Respekt vor Schulbeamten haben, Polizisten attackieren und in einer Kultur aufwachsen, in der sie einerseits von der Mutter extrem verwöhnt werden und keinerlei Grenzziehung erfahren und andererseits vom Vater Gewalt gegenüber Frauen und Ungläubigen beigebracht bekommen.
Um solche Probleme zu lösen oder zumindest einzudämmen, wird die Autorin konkret: Als Lösungen schlägt Heisig Wachdienste für Schulen, die Verkleinerung der Schulklassen, den verstärkten Einsatz von Street Workern sowie mehr Dialog mit den Eltern und moslemischen Vereinen vor.
Die Aufzählung dieser „Lösungsansätze“ wirft ein Licht auf das größte Manko von Heisigs Buch: In die Debatte um Migranten- und Jugendgewalt mischt sie sich als Jugendrichterin ein. Doch für eine umfassende Betrachtung der Gesamtsituation ist die Vogelperspektive hilfreicher. Sicherlich sind die oben aufgezählten Vorschläge hilfreich, um die Symptome zu lindern. Doch um die langfristigen Probleme zu lösen, sind kurzfristige Lösungen zu wenig.
In Deutschland, der vor wenigen Generationen führenden Wissenschafts-, Wirtschafts- und Kulturnation, macht man sich heute Gedanken darüber, wie man „Kids“ davon abhalten kann, sich gegenseitig mit Springmessern umzubringen. Während in Asien handfester Wohlstand erarbeitet wird, plagt uns Westeuropäer die Frage, ob alle Intellektuellen die Spielregeln der „Political Correctness“ einhalten. Und während in Amerika Einwanderer ins eiskalte Wasser des Neuanfangs springen und sich an die Kernwerte der USA (Patriotismus, Religiosität und harte Arbeit) anpassen müssen, folgt hierzulande der Vorschlag, arabische Eltern und türkische Vereine davon zu überzeugen (sic!), ihre Kinder doch bitte schön in die Schule zu schicken.
Mit Deutschland (nein, ganz Westeuropa) verhält es sich wie mit einem Alkoholiker: Sicher müssen jetzt zunächst Schritte eingeleitet werden, um die dringenden Probleme zu lösen. Doch um sicherzugehen, dass es nie wieder zu einer solch katastrophalen Situation, in der sich die westlichen Staaten Europas befinden, kommt, müssen langfristige Lösungsstrategien entwickelt werden. Schul-Security (am besten kurdische Ex-Knackis, hm?) und der heilige Orden der „Strieht Wöhrker“ (auch dies übrigens ein Auffangbecken für ehemalige Kriminelle) stehen hier allenfalls am Anfang.
Nachdem der Wahn der Achtundsechziger Deutschland in die Verwahrlosung getrieben hat, ist es wichtig, ein neues Weltbild mit echten Werten zu entwickeln. Dies wird inzwischen jenen bewusst, die tagtäglich mit der Realität konfrontiert sind, auch Heisig selbst. So schreibt sie auf Seite 124: „Pünktlichkeit, Ordnung, Fleiß, Pflichtbewusstsein und gegenseitige Rücksichtnahme [sind] Verhaltensweisen, um (…)“ – Trommelwirbel! – „(…) sich zum Beispiel erfolgreich für einen Praktikumsplatz oder später eine Ausbildung bewerben zu können.“ Tusch! Pardon, aber das ist grotesk. Nachdem Linke jeglicher Couleur jahrzehntelang gegen unser Wertesystem gehetzt haben (man denke nur an Oskar Lafontaine und dessen Aussage über das Verhältnis von Sekundärtugenden und die Leitung von KZs), sollen just diese Werte wieder gelten, um ausgerechnet so etwas Materialistisches wie einen Praktikums- oder Ausbildungsplatz zu erhalten? Werte gelten, weil sie richtig sind. Nicht, um dank ihnen ein Praktikum zu ergattern.
Trotz aller Kritik: Heisig ist ihrem Gewissen gefolgt und hat ein wichtiges Buch vorgelegt. Dass sie als Jugendrichterin die Zustände im „Milieu“ der Jugendlichen kannte, machte sie zu einer umso wichtigeren Zeugin für die Missstände in diesem Land. Da bleibt eigentlich nur die Frage, weshalb von sämtlichen Richtern Deutschlands nur eine einzige den Mut hatte, diese Wahrheiten aus- und anzusprechen. Mitläufertum ist wohl wieder in Mode. Kirsten Heisig zumindest war eine tapfere Frau. Wir vermissen sie schmerzlich.
» Das Ende der Geduld – Kirsten Heisig: Aufl./Jahr: 1. Aufl. 2010, Verlag Herder, Format: 12,0 x 19,0 cm, 208 Seiten, Flexcover €[D] 14,95/ sFr 23.50, ISBN 978-3-451-30204-6.