Dietmar Holzapfel (Foto) ist einer der beiden Geschäftsführer der Gastwirtschaft mit angeschlossenem Hotel und Wellnessbereich „Deutsche Eiche“ in München. Der sympathische 54-Jährige ist bekennender Homosexueller und hat sich intensiv mit der Haltung von Religionen hierzu beschäftigt. Zuletzt richtete sich seine Aufmerksamkeit auf den Islam, da ihn zunehmende Konflikte zwischen Schwulen und Muslimen in München tief beunruhigten.
(Von Michael Stürzenberger)
Davor drehten sich seine Sorgen vor allem um die katholische Kirche, die sich bekanntlich sehr skeptisch bis restriktiv gegenüber der Homosexualität zeigt. Im Sommer 2006 gestaltete Holzapfel für den Christopher Street Day einen diesbezüglich äußerst papstkritischen Wagen, den ihm die Münchner Polizei nicht genehmigen wollte und während des Umzugs dann auch aus dem Verkehr zog. Dagegen ging der Unternehmer vor Gericht und konnte sich letztlich nach vier Jahren Rechtsstreit durchsetzen.
In der letzten Zeit beschäftigt er sich immer intensiver mit dem Islam, da auch in München durch das Anwachsen des muslimischen Bevölkerungsanteils Aggressionen gegenüber Homosexuellen erkennbar zunehmen. Er las sich in islamische Schriften ein und stellte einen Fragenkatalog zusammen. Anschließend lud er Imam Bajrambejamin Idriz ein, darüber zu diskutieren. Idriz, der bekanntlich in der Öffentlichkeit sehr um ein weltoffenes und tolerantes Image bemüht ist, sagte zu. Da bei dem Treffen auch noch ein Redakteur der Süddeutschen Zeitung zugegen war, konnte man in der Ausgabe vom 16. Februar auch einen halbseitigen Artikel darüber lesen:
Holzapfel hatte zur Einstimmung in die im wahrsten Sinne des Wortes „tod“-ernste Thematik ein großes Plakat mit dem Foto von zwei bedauernswerten iranischen Homosexuellen kurz vor ihrer Hinrichtung aufgehängt. Er informierte Idriz, dass seit 1979 etwa 4000 Homosexuelle im Iran getötet worden seien. Der Imam entgegnete, dass er dies nicht gewusst habe und es ihn sehr betroffen mache. SZ-Redakteur Bernd Kastner, der übrigens auch den letzten Artikel über PI München verfasst hat, vermutete, dass für Idriz das Gespräch „eine Gratwanderung“ werden würde. Und weiter:
Idriz schaut zu dem Foto neben sich, sagt, dass der Koran keine Strafe für Homosexualität vorschreibe. Soll heißen: Die Islamische Republik Iran könne sich, wenn sie Schwule hinrichtet, nicht auf den Islam berufen. Wie aber kommt es, dass in vielen muslimisch geprägten Ländern Homosexuelle diskriminiert und verfolgt werden? Meist dient den Regierungen dann doch der Glaube als Rechtfertigung.
Die Aussagen von Idriz muss man immer einem Faktencheck unterziehen, das hat die Vergangenheit bereits mehrfach gelehrt. Und so darf man an dieser Stelle den Koran zitieren. In Sure 4, Vers 15 wird die Todesstrafe für Ehebrecherinnen gefordert:
“Wenn euere Frauen sich durch Unzucht vergehen und vier Zeugen aus euerer Mitte bezeugen dies, dann kerkert sie in euerem Hause ein, bis der Tod sie befreit oder Allah ihnen sonst einen Ausweg schafft.”
Im Anschluss heißt es dann in Vers 16:
“Wenn sich zwei Männer miteinander durch Unzucht vergehen, so straft beide; wenn sie aber bereuen und sich bessern, dann laßt ab von ihnen; denn Allah ist versöhnend und barmherzig.”
Zwei Männer, die Sex miteinander haben, sollen also “gezüchtigt” werden, was klar eine Strafe bedeutet. Also hat Idriz hier die Unwahrheit gesagt. Nach Meinung vieler Rechtsgelehrter sollte im übrigen die Strafe für Homosexuelle der des Ehebrechers entsprechen, also Todesstrafe, wenn er verheiratet war und 100 Peitschenhiebe, wenn er ledig war. Was schließlich auch in vielen islamischen Ländern wie dem Iran, Saudi-Arabien, Jemen etc. praktiziert wird.
Homosexualität wird darüber hinaus im Koran als „Abscheulichkeit“ dargestellt, beispielsweise in Sure 7, Vers 80-82:
“Und (Wir sandten) Lot, als er zu seinem Volk sagte: „Wollt ihr denn das Abscheuliche begehen, wie es vor euch niemand von den Weltenbewohnern begangen hat? Ihr laßt euch doch wahrlich in Begierde mit den Männern ein anstatt mit den Frauen. Aber nein! Ihr seid maßlose Leute. Die Antwort seines Volkes war nur, daß sie sagten: „Vertreibt sie aus eurer Stadt! Das sind Menschen, die sich rein halten.“
Auch Holzapfel erinnerte Idriz daran, dass Homosexualität in vielen islamischen Ländern nach der Scharia als Straftat gegen den Willen Gottes gelte. Ajatollah Musava-Ardebili von der Teheraner Universität fordere sogar die Enthauptung für Schwule. Es seien auch ausschließlich islamische Länder, die die Todesstrafe für Homosexuelle verhängen würden. Andere islamische Länder würden Steinigung, Peitschenhiebe oder hohe Gefängnisstrafen vorsehen, wobei man sich immer auf die Scharia berufe. Idriz meinte hierzu erneut, dass in den Schriften des Islam keine Strafen für Homosexualität gefordert werden würden.
Die Realität sieht hierzu ganz anders aus: Arabische und sozialistische Staaten setzten sich im November vergangenen Jahres in der UNO zur Legitimierung der Todesstrafe wegen Homosexualität durch. In London wurde jetzt auf Flugblättern vermutlich von Moslems „schwulenfreie Zonen“ gefordert. „Haolam“ schreibt weiter:
Ähnliche Vorfälle werden seit einigen Jahren auch aus deutschen Grpßstädten wie Berlin, Hamburg oder Frankfurt/Main gemeldet, wo u.a. an U-Bahnstationen in einigen Stadtteilen sogenannte “No-Gay-Areas” proklamiert werden. Verstärkt werden im Internet auch Hassvideos und Hasslieder verbreitet, in denen Islamisten zu Gewalt gegen Juden und Homosexuelle aufrufen. Einschlägige “Prediger” in islamistischen Staaten und auch in der arabischen Autonomiebehörde (PA) bezichtigen immer wieder Israel durch die rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen “gezielt die Sünde der Homosexualität und die Verbreitung von Aids zu fördern, um die Muslime zu vernichten.”
Idriz stellte im Gespräch mit Holzapfel die Homosexualität aber als ein „natürliches Phänomen“ dar, das in den islamischen Ländern „weitestgehend tabu“ sei. Der SZ-Redakteur spürte, dass Idriz die Diskussion nicht ganz geheuer sei. Denn wenn er dieses „Phänomen“ verteufeln würde, riskierte er seinen Ruf als liberaler Vorzeige-Imam. Auf der anderen Seite dürfe er sich wohl nicht mit dem muslimischen Mainstream anlegen, und so sagte er: „Der Islam wird die Homosexualität nicht gutheißen“.
Interessanterweise arbeitet in der „Deutschen Eiche“ ein homosexueller Ex-Moslem, der sich nicht zuletzt wegen der erheblichen Probleme mit seinen Eltern vom Islam abgewandt habe. Er schaltete sich in die Diskussion ein und sagte zu Idriz, dass die Homosexualität „kein Phänomen“ sei, sondern sie gebe es, seit die Menschheit existiere. Idriz meinte, er sei noch nie mit dem Thema konfrontiert worden, er kenne keine Homosexuellen in seiner Penzberger Gemeinde und es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass es sich um so ein weit verbreitetes „Phänomen“ handle. Es interessierte ihn, warum sich der Kellner „für diese Art von Leben entschieden“ habe.
Idriz meint, er akzeptiere „diese persönliche Entscheidung oder Neigung“, aber er werde sie „nicht propagieren“. Ob Homosexualität nun „eine Sünde“ sei, das könne „alleine Gott“ beurteilen, und alleine er dürfe auch „bestrafen oder verzeihen.“ Kein Mensch dürfe einen anderen Menschen diskriminieren, auch nicht wegen seiner Homosexualität. Wie meist bei Imam Idriz hört sich auch dies alles schön stromlinienförmig an, so nach dem Motto: „Nur kein falsches Wort sagen.“ Um den Stundenplan seines geplanten Islam-Zentrums habe er sich noch keine Gedanken gemacht, da könne er also auch noch nicht sagen, ob und wie das Thema Homosexualität dort behandelt werden wird. Aber es sei sicher, dass dort „tabulos alle wichtigen Themen diskutiert werden“. Zensur gebe es bei ihm nicht. Es ist allerdings schwer nachvollziehbar, dass ein Imam, der mit allen möglichen Themen befasst sein muss und die Imamausbildung in seinem künftigen „Zentrum für Islam in Europa in München“ durchführen möchte, noch nichts über den Lehrplan äußern kann.
Da mich als Autor dieses Artikels sowohl das Thema „Islam und Homosexualität“ als auch die Person Idriz interessieren, besuchte ich Dietmar Holzapfel in seiner Gastwirtschaft. Wir diskutierten intensiv und auch kontrovers über die in den Schriften des Islams meines Erachtens klar erkennbare Schwulenfeindlichkeit. Im Gespräch wurde aber auch deutlich, dass Holzapfel den Imam Idriz als durchaus sympathisch und vertrauenswürdig findet. Auch wenn er gemerkt hat, dass der Imam vielleicht nicht immer völlig ehrlich war, was seinen Kenntnisstand über die Homosexualität und seine Ansichten dazu anbelangt, kauft der Gastwirt dem Imam seinen guten Willen ab, sich auch in Zukunft dem Thema gegenüber tolerant zu zeigen. Dietmar Holzapfel sieht im Islam wie auch in der katholischen Kirche Hardliner und Progressive. Er glaubt, dass Idriz einer Linie angehöre, die den Koran interpretiere, was Konservative dagegen verbieten. Hier könnte man natürlich grundsätzlich die Frage stellen, ob es der Islam überhaupt gestattet, den Koran als zeitlos gültiges und unveränderliches Wort Allahs in irgendeiner Form zu interpretieren. Die Antwort hierzu bleibt die spannendste Frage in der ganzen Diskussion um den Islam.
Es gab auch einige hochinteressante Themen im Gespräch mit Imam Idriz, die nicht den Weg in den SZ-Artikel fanden. So erzählte Holzapfel beispielsweise vom schwulen Imam Muhsin Hendriks in Johannesburg, der die Organisation „Inner Circle“ zur Unterstützung von schwulen Moslems gegründet habe. Imam Idriz entgegnete, dass er diesen Imam nicht kenne. Und so eine Organisation bräuchte man auch nicht, denn die Homosexualität sei eben kein Problem im Islam und mit ihm auch nicht unvereinbar.
Außerdem wies Holzapfel Idriz auf den Kinsey-Report hin, in dem behauptet wurde, 90 % aller Männer hätten schon einmal ein homoerotisches oder homosexuelles Erlebnis gehabt. Kenne er diesen Report, seien dies alles Sünder und habe er so etwas auch schon erlebt? Idriz verneinte alle drei Fragen.
Ob die Geschichte mit der Liebe zwischen dem König David und dem jungen Jonathan, die in der Bibel schwärmerisch beschrieben werde, auch so im Koran stehe, konnte Idriz ebenfalls nicht beantworten: „Keine Ahnung“. Seltsam, denn Idriz ist ein „Hafis“, der den Koran seit seinem 11. Lebensjahr auswendig kennt. Auf die Frage nach der Gleichberechtigung der Frau meinte er erstaunlicherweise, dass Frauen im Islam durchaus auch Imame werden könnten.
Holzapfel erinnerte Idriz auch daran, dass im Koran dem Moslem Sex nur mit seiner / seinen Ehefrauen gestattet sei, sowie auch mit Sklavinnen. Idriz entgegnete, dass es heutzutage keine Sklavinnen mehr gebe. Auch hierbei scheint sich Idriz mit der Realität in manchen islamischen Ländern nicht allzu gut auszukennen. Holzapfel warf hierzu auch ein, dass es zudem das Problem der Vergewaltigung gebe, da Ungläubige im Islam eben als minderwertig angesehen werden, was Idriz ebenso bestritt.
Den Hinweis, dass dogmatische Islamisten der Überzeugung seien, dass nur die Umwelt aus einem Menschen einen Homosexuellen mache, und deswegen die Geschlechtertrennung im Islam dies dann doch geradezu fördere, entgegnete Idriz, dass er diese Theorie nicht kenne. Ebensowenig wie die Tatsache, dass es auch im Tierreich Homosexualität gebe.
Auch der Landesbeauftragte der in Bayern neu zu gründenden Partei „DIE FREIHEIT“, Christian Jung, war bei dem Gespräch dabei. Denn in seiner politischen Grundauffassung bezieht sich „Freiheit“ selbstverständlich auch auf die Sexualität. Homosexuelle müssten seiner Meinung nach selbstverständlich jeden Schutz und auch jede Form der Gleichberechtigung erfahren. Jung ließ auch seine Erfahrungen im Umgang mit dem Islam und Imam Idriz einfließen. Trotz aller Warnungen blieb Dietmar Holzapfel optimistisch. Man kann es der schwulen Szene im Glockenbachviertel und auch andernorts in München und Deutschland nur wünschen, dass sich ihnen die Intoleranz des Islam nicht allzu kompromisslos entgegenstellt.