Viktor Orbán   Ein Geist geht um im politisch korrekten Brüssel-Europa – Pressefreiheit. Angestoßen von der kleinen Donaurepublik Ungarn, wo vom Parlament kurz vor Weihnachten ein neues, längst überfälliges Mediengesetz verabschiedet wurde (PI berichtete). Seither ziehen staffelweise Bomberverbände der politisch korrekten Medien-Meinungsmafia über Budapest und streuen den gegenüber bürgerlichen Regierungen üblichen medialen Faschismusverdacht. EU-Politiker kämpfen ebenso wie Schweizer Medien in diesem internationalistischen Scheingefecht um vermeintlich gefährdete politische Grundrechte in erster Reihe mit – ganz ohne Risiko versteht sich.

(Von Keve Kászoni)

Besonders wertvolle Sendungen verdienen einen Randplatz im Schweizer TV-Programm. Eine Stunde vor Mitternacht gehen in der SF-DRS-Sendung „Kulturplatz“ beredte Geister für politische Grundfreiheiten in Stellung.

Schon die Anmoderation zum Beitrag über Ungarns neues Mediengesetz lässt besonders Schlimmes erahnen: „Wenn der Staat kontrollieren will, was der einzelne Bürger zu erfahren hat, ist eine Demokratie bedroht.“ Herr und Frau Schweizer fallen vor Entsetzen die billigen ungarischen Zahnplomben aus dem Maul. Selten genug, dass die Kultur-Redaktion ihre journalistische Neugier in den früheren Ostblock führt. Doch mit diesem engagierten Vorspann ist der Zuschauer nun endlich an der hässlichen braunen Donau angekommen: “Damit betreibt die rechtskonservative Regierungspartei Fidesz offene Beschneidung der Freiheitsrechte. Wir haben uns in Budapest umgesehen, wo vor allem die Jungen ihren Unmut mutig kund tun“.

Ohne Zweifel haben die Leutschenbacher mit dem Redakteur Sebastian Günther einen Top-Experten für einen journalistisch unrecherchierten, politisch (einseitig) konzipierten Siebeneinhalb-Minuten-Beitrag nach Budapest geschickt. Der junge Mann ist in der früheren „DDR“ aufgewachsen. Damit hat er als journalistische Basisqualifikation den Ostblock sozusagen im eigenen Gen-Code, den Freiheitswillen gegenüber bösen Diktatoren gewissermassen im Blut. Redakteur Günther taucht also seine Schweizer Zuschauer im Report über das vermeintlich demokratiegefährdende neue ungarische Medien-Gesetz in ein böses rechtskonservatives Reich ein. Dort werden freiheitsliebende Journalisten im vorauseilenden Gehorsam von Vorgesetzten abgestraft, und das fundamentale Recht auf Meinungsfreiheit ist bedroht. Mit einem Wort – und dieses wird direkt dem Ringier-Organ Népszabadság entnommen: „In Ungarn wurde die Pressefreiheit aufgehoben.“ Zur pfleglichen Erinnerung: bei der angeschlagenen Tageszeitung handelt es sich um das frühere Zentralorgan der kommunistischen Einheitspartei, das nach längeren Irrungen und Wirrungen einst zu Vorzugskonditionen im Zofinger Medien-Konzern landete. Das einst als Cash-Cow geltende Blatt hat nach 1989 seinen politischen Kurs weitgehend beibehalten – und große Teile der altkommunistischen Redaktion gleich mit.

Freie Medien: Das war einer der großen Bluffs der Wende – ein Balaton voller fauler Kompromisse. Abgekupfert ist auch gut gelernt. Der neo-helvetische SF-DRS-Redaktor Günther dürfte in der „Zone“ in seinen jüngeren Jahren mit dem „Schwarzen Kanal“ aufgewachsen sein, der politischen Kampsendung der „SED“-Staatspropaganda. Dort ging es in erster Linie darum, politisch unliebsame “BRD”-Politiker aus dem bürgerlichen Lager mit der Faschismuskeule nieder zu machen. Im Ungarn-Bericht von SF-DRS besonders herzig: der bemühte Redakteur Günther wird das Opfer seiner eigenen Propaganda. Bei allen fünf Gesprächspartnern im Beitrag handelt es sich durchgehend um Journalisten oder Publizisten aus dem sogenannten linksliberalen Lager. Journalismus kann so schön sein. Vor allem, wenn sur Place die eigene, bereits in Zürich vorgefasste Meinung von politisch befreundeten Interview-Partnern punktgenau bestätigt werden kann.

Die im Beitrag schwerster Demokratie-Defizite bezichtigte Leiterin der neuen Budapester Medien-Behörde wird zwar ausführlich erwähnt und in einem unvorteilhaften Bild gezeigt. Zu Wort kommen darf aber im Beitrag von SF-DRS weder sie, noch sonst ein Vertreter von Regierung oder bürgerlicher Parlamentsmehrheit. Kurz vor der Geisterstunde regiert bei SF-DRS das rote Paralleluniversum.

Bis weit ins neue Jahr lag das neue 200-seitige Mediengesetz in Budapest erst in Landessprache vor. Da hatten sich im Ausland schon unzählige Politiker und Medienleute wie Aasgeier über das nicht nur feiertagsbedingte wehrlose Ungarn hergemacht. Plötzlich konnte alle Welt Ungarisch und in Budapest lag die Demokratie in Trümmern. Wer die politischen Verhältnisse in Budapest auch nur ein bisschen kennt, weiß: Die sogenannten linksliberalen Eliten aus den Budapester Denk- und Meinungsfabriken, bestens vernetzt mit Realitäts- und Intelligenzallergikern im Westen, haben der neuen bürgerlichen Orbán-Regierung nach der verheerenden Wahl-Schlappe vom Frühling 2010 Tod und Hass geschworen – der eigene Untergang muss gleich bedeutend sein mit der weitgehenden globalen Diskreditierung Ungarns.

Der Erfolg der gesteuerten Kampagne ist auf den ersten Blick phänomenal: das Stichwort „Mediengesetz Ungarn“ ergibt in Google eine Trefferzahl von 187‘000 – zum Vergleich: der unvergleichlich schwergewichtigere Begriff „Schuldenkrise Griechenland“ bringt es gerade mal auf 151‘000 Treffer – die „EU-Schuldenkrise“ generiert 268‘000 Meldungen. Der geneigte Medien-Konsument sieht es also auf den ersten Blick: im global arrangierten künstlichen Hype um Ungarns neues Medien-Gesetz trennt sich die journalistische Spreu relevanter Themen vom propagandistischen Weizen.

Daniel Cohn-Bendit   Ein Schelm wer zur Erkenntnis kommt: die mediale Pol-Potisierung Budapests, die künstlich geschürte und mit Ignoranz und Vorurteilen aller Art unterlegte unfaire Ungarn-Hysterie, die propagandistische Basis-Lüge eines angeblichen Rückfalls in totalitäre Strukturen – all dies dient Europas politischer Linken. An der Spitze der stets umtriebige 68er-Titan Dany-le-Rouge-Cohn-Bendit. Das linksliberalgrüne EU(DSSR)-Establishment kann jubeln: das böse Ungarn lenkt mit denkbar wenig Aufwand von tatsächlichen, gewaltigen Problemen in Brüssel ab.

Die mithin politisch unklug, taktisch stümperhaft, im Bereich Kommunikation traditionell amateurhaft agierenden und darum besonders im Ausland oft provinziell auftretenden, im eigenen politischen Hühnerhof aber noch immer phänomenal erfolgreichen konservativen ungarischen Landbuben um Viktor Orbán haben zwar das linksliberale Budapester Establishment zum Teufel gejagt – medial gesehen sind sie aber alles andere als an der Macht. Das rote Paralleluniversum hat erfolgreich zurückgeschlagen. Es war ja auch nicht anders zu erwarten. Es ist das seit der Wende 1989 bekannte politische Scherenmuster: selbst wenn Bürgerliche regieren, bleibt die linksliberale Internationale faktisch an der Macht, behält vor allem Wirtschaft, Finanzen, Geheimdienste und Medien im eigenen Gärtlein. Dieses nennt sich dann Postkommunismus. Und wir in der Schweiz wundern uns über Demokratie-Defizite im Osten.

In den Schweizer Medien begonnen hat die systematisch aufgebauschte künstliche Aufregung um die jüngsten politischen Vorgänge in Ungarn bereits im vergangenen Juli mit einem journalistischen Paukenschlag im „TA-Magazin“ (Tages-Anzeiger-Magazin) des in Budapest auch persönlich besonders prominent vernetzten Miklós Gimes. Er gab der politischen Wende in Ungarn damals das denkbar fragwürdige Prädikat „Gulaschfaschismus“. Besonders spannend war dann eine Woche später die Replik eines Budapester Journalisten, der Gimes auf seiner Tour durch Ungarn als Stringer begleitet hatte. Der ungarische Kollege beklagte dabei die Realitätsferne des Gastes aus Zürich, vorab, wie der um Menschen- und Minderheitsrechte besorgte Schweizer Journalist auf seiner Tour durchs Land unbedingt Massen von rechtsextremen Jobbik-Gardisten und bösen Faschisten verorten wollte – aber durchwegs auf herzliche und offene Menschen traf. Den ungarischen Alltag, mit all seinen bisweilen auch schwerwiegenden Problemen. In der Tragik um – die in ihrer Entstehung bis heute ungeklärten, wahrscheinlich von Geheimdiensten beeinflussten – Mordanschläge gegen Zigeuner besuchte der Zürcher Spitzenjournalist damals auch ein betroffenes Dorf. Vor Ort angekommen traute sich Gimes dann aber nicht aus dem Auto, verschloss sogar die Türen. Schreibtischtäter Gimes wagte sich auf seiner Reportage also selber nicht in die Realität – nicht einmal für ein paar kurze Minuten.

Auch dieser Tage wandeln viele ausländische Journalisten in Ungarn auf ähnlichen Pfaden, bar grundlegender Kenntnisse von Land und Leuten und/oder immun gegen Faktisches, angefuttert von politischen Brandbeschleunigern der Marke Rotfront. Viele dieser Medienschaffenden sind überhaupt zum ersten Mal in Budapest. Und wie endet doch der Ungarn-Beitrag in SF-DRS?

„Dieses ganze System ist eine Bedrohung…. Jetzt muss die EU nach Ungarn schauen und auf die Einhaltung demokratischer Grundrechte bestehen. Damit aus dem einstigen Musterschüler der osteuropäischen Demokratien nicht der bad boy wird.“

Nächtlicher TV-Schrott zum jährlichen SRG-Gebühren-Preis von 462,40 Franken. Der aus freien und demokratischen Wahlen hervorgegangenen konservativen Regierung in Budapest auf dem Umweg einer verlogenen Medien-Kampagne auf die Schuhe zu brunzen erinnert gespenstisch an die „Stellungnahmen“ des „Auslandes“ gegen die in der Schweiz demokratisch zustande gekommene Ausschaffungs- und Minarett-Initiative und hat etwas genau so viel Realitätsbezug wie der politische Vorstoß zur Abschaffung des Inzest-Paragraphen in der Schweiz. Ungarns Denunziation in Mainstream-Medien allerorten entpuppt sich als politische Selbstbefriedigung impotenter EU-Politiker. Ein auf den ersten Blick vermeintlich schwacher, ja fast schon angeschlagener Gegner – bei fast Null Risiko.

Hier zeigt sich einmal mehr, dass hinter all den Lippenbekenntnissen in Brüssel letztlich stets das reine Machtkalkül der Oberlehrer Deutschland und Frankreich steht. Und unmittelbar dahinter die dämliche Kaste von Berufspolitikern, unterstützt durch de facto versozialdemokratisierte Medien – alle wie eh und je als Vormund freier Völker im Sinne von Wahrheit, Umverteilung und mehr oder weniger sanfter Gängelung.

Wer wagt in Frankreich Kritik am Präsidenten, immer hart an der Majestätsbeleidigung – wer prüft in Italien die medialen Besitzverhältnisse und die fugenlose Infantilisierung à la Berlusconi? Kritische Beispiele aus der Welt der Medien gäbe es praktisch in jedem EU-Land. Die Ungarn haben zu Recht darauf hingewiesen. Die Schweiz kennt, Gott sei Dank, kein Mediengesetz. Ungarn brauchte dringend ein neues – sonst wäre das alte von 1986 aus kommunistischen Zeiten in Kraft geblieben. Erstmals seit 1989 hat in Budapest nun eine Partei das parlamentarische Zweidrittel-Quorum, um alte sozialistische Zöpfe anzuschneiden und erfüllt damit just den Auftrag der Wähler.

Unter den Sozialisten wurde Ungarn mehrfach in den Bankrott geführt, das Land ist weitgehend ruiniert. Wirtschaftlich und moralisch. Mithin könnte aber der Eindruck entstehen: hinter der künstlichen, vom offiziellen Brüssel – nach Orbáns EU-Parlaments-Hearing vom letzten Mittwoch allerdings nur noch halbherzig mitgetragenen – Aufregung um die ungarische Mediengesetzgebung verbergen sich vor allem finanzielle Interessen ausländischer Investoren, unter ihnen auch dominante ausländische Verlagshäuser. Das nicht immer diplomatische politische Urvieh namens Viktor Orbán jedenfalls hat vor dem EU-Parlament in Strassburg in Aussicht gestellt, berechtigte Kritiken am EU-Gesetz seines Landes zu beherzigen – ein Vorgang hart am Rand der EU-politischen Gängelung. Welches andere freie Land, welche Kulturnation würde sich diese Erniedrigung vor aller Welt unwidersprochen bieten lassen? Ungarns größte Sünde aber bleibt: die Magyaren haben eine sozialistische Regierung abgewählt. Und das ist gut so.

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