
„Die Regierung spricht von einem konfessionellen Konflikt. Aber das trifft es nicht, denn der würde zwei gleich starke Parteien voraussetzen. Hier sind Muslime die Täter und Christen die Opfer. Es ist sicher kein Zufall, dass viele der gewalttätigen Übergriffe nach dem Freitagsgebet der Muslime stattfinden, denn der Mob wird von den Imamen aufgestachelt. Diskriminiert werden wir auch beim Bau von Kirchen und im Bildungssystem: Eine ganze Generation von Ägyptern ist herangewachsen, die das christliche Erbe des Landes nicht kennt und die Christen verachtet. Hinzu kommt die Ignoranz der Medien. Es ist normal, dass TV Sender islamistische Fanatiker zu Wort kommen lassen.“
Daneben, von Julia Gerlach, der Bericht „Wir sind keine Ungläubigen“ über wissenswerte Details zu Geschichte und Leben der Kopten in Ägypten, über Diskriminierung und Verfolgung, die über das „normale“ Maß, an das wir uns ja bereits gewöhnt haben und die niemanden mehr zum Aufschreien bringt, hinausgeht:
„Lange schien es den Mönchen zu gefährlich, eine Tür zu haben“. Die Tür haben die Mönche im Kloster St. Paul in den entlegenen Bergen am Roten Meer erst vor 90 Jahren in die Klostermauer eingebaut. Immer wieder wurden sie von Beduinen überfallen. Nur hinter den Mauern waren sie ganz sicher. Wollte jemand hinaus oder hinein, dann wurde er von einem Balkon am Seil heruntergelassen oder heraufgezogen.
Ein 19-jähriger Besucher, Student der Ingenieurwissenschaften, hat es satt: „In der Schule musste ich den Koran lesen, und immer ging es darum, dass ich ein Ungläubiger bin. Das liegt an der dumpfen Islamisierungswelle. Und weil immer mehr Muslime beeinflusst sind vom Wahabismus.“ Sein Freund hält das für moderates Geschwätz: „Es liegt in der Natur des Islams, uns zu unterdrücken. Dabei sind wir die eigentlichen Bewohner des Landes. Sie kamen erst Jahrhunderte später und sollten sich wie Gäste verhalten.“ Kein Wunder, dass die Christen sich vom Staat im Stich gelassen fühlen. Fast immer sind die Opfer Christen und der Regierung fällt nichts besseres ein, als den Konflikt zu leugnen. Bisher wurde niemand von einem Gericht verurteilt.Deutlich wurde die Abkehr der Kirchenführung von ihrem zuvor sehr staats- und regierungsfreundlichen Kurs nach dem Attentat von Nagah Hammadi. In dem oberägyptischen Dorf waren Weihnachten 2009 sechs Gläubige nach der Mitternachtsmesse erschossen worden, doch der Prozess gegen die Täter schleppt sich bis heute dahin. Der Bruch vertiefte sich im letzten Sommer, als ein staatliches Gericht einem geschiedenen Kopten das Recht zusprach, wieder kirchlich zu heiraten, und verfügte: Die Kirche solle ihn trauen. Da reichte es dem Papst.
Im November kochte der Konflikt dann über. Der Gouverneur des Kairoer Stadtteils Giza schickte mehrere Hundertschaften Polizei in eines der Armenviertel, sie sollten den illegalen Bau einer Kirche stoppen. Wer in Ägypten ein Gotteshaus bauen will, braucht eine Genehmigung. Die ist, wenn es sich um eine Kirche handelt, aber kaum zu bekommen.
(Text: Herodotchen)
Noch keine Kommentare