
Kepplinger sagt:
Es hat gravierende Tabus bis zur Verlogenheit gegeben. Fast jeder hat Freunde und Bekannte, die man als Gegner der Thesen von Sarrazin betrachten kann, die aber ihre Kinder nicht in öffentlichen Schulen geschickt haben, damit sie nicht in Klassen mit einem hohen Ausländeranteil gehen müssen. Diese Art von Verlogenheit ist inzwischen nicht mehr so ohne Weiteres in der Öffentlichkeit zu vermitteln. Das halte ich für einen Fortschritt.
Der Kommunikationswissenschaftler ist sich bewusst, dass in Deutschland unangenehme Fakten lange einfach totgeschwiegen oder skandalisiert wurden. Besonders traf dies auf den Umgang mit Ausländern zu. Kepplinger:
Im Hintergrund steht seit mehr als 20 Jahren die Frage: Wie sollen wir Deutschen mit Ausländern umgehen? Dabei geht es vor allem um das grüne Projekt einer multikulturellen Gesellschaft. Im Laufe der Jahrzehnte hat sich herausgestellt, daß dieses Projekt – zumindest in der Weise, wie es von den Grünen gedacht wurde – nicht realisierbar ist. Es hat schon einmal einen Versuch gegeben, eine Gegenposition dazu aufzubauen: Das war die positive Idee der deutschen Leitkultur, die damals noch in einem Sturm der Entrüstung untergegangen ist. Nachdem Sarrazin die negative Idee des Verschwindens dieser Kultur formulierte, hat sich das Blatt gewendet. Im Hintergrund steht also die Frage, ob die Deutschen eine Nation mit einer eigenständigen Kultur sind und bleiben sollen, oder ob sie besser in irgendeiner Welt- oder Europakultur aufgehen sollten. Damit verbunden ist natürlich das Selbstwertgefühl derer, die die Idee der multikulturellen Gesellschaft vertreten und kritisiert haben. Nicht zuletzt um das geht es und dies erklärt einen Teil der Leidenschaft, mit der die Thematik diskutiert wird.
Das ganze Interview kann hier nachgelesen werden.